Es sind die Momente, die diese Insel unvergessen machen. Die Sonne, die am Morgen glänzend aus dem Meer aufsteigt und am Abend irgendwo hinter weiten Buchenwäldern und dem Achterwasser wieder versinkt. Stürme, die riesige Wellen an den Strand treiben und die Seebrücke erbeben lassen. Wind, der in uralten Buchen rauscht und diesen unvergleichlichen Geruch von salziger Luft über das Land bringt.
»Ein Jahr auf Usedom – Erinnerung« gibt einen wunderbaren Einblick in die Vielfalt der Insel,
begleitet von den Erinnerungen eines echten Inselkindes.
- 10 Inselfotografen – 1 Inselautorin – 144 Seiten -
Dies ist ein Zeugnis für den Wandel der Zeiten, gesehen mit den Augen des Kindes, das ich einst war, und auf einer Insel, die die meisten nur mit Sommerferien verbinden. Deren einsame Tage verborgen blieben und deren Verfall sich durch den großen Umbruch in ein neues Erwachen verwandelte. Ich bin kein objektiver Zeuge dieser Zeit. Ich habe sie einfach erlebt. Und in der größten Unsicherheit, die ein Mensch nur spüren kann, wenn um ihn herum und in seinem Inneren nichts mehr ist, wie es einst war, war es das Meer, das mir Halt gab.
Ich war 13 als die Wende kam, steckte bis unter die Haarspitzen in der Pubertät und war an allem interessiert, nur nicht an Politik. Ich bin aufgewachsen mit den Geschichten, dass es irgendwo im Westen ein Land gibt, in dem es
unbeschreiblich gut riecht, wo es das ganze Jahr über Bananen und Orangen gibt und diese verboten gute Nuss-Nugat-Creme, deren Geruch allein mir schon den Verstand raubte.
Wie ein Märchenland entstand in meiner Fantasie diese unerreichbare Welt, beflügelt durch Großmutters Erzählungen und die Düfte der Westpakete, die wir gemeinsam schon Tage vor Weihnachten öffneten. Ich würde diese Welt und den Onkel, der uns mit all den Kostbarkeiten versorgte, nie kennenlernen. Das war die Gewissheit, die ich in Großmutters Tränen sah.
Mir fehlte es an nichts. Ich hatte Freiheit und den größten Abenteuerspielplatz direkt vor der Haustür. Solange ich denken kann, war ich am Strand. Hier habe ich meine Freunde getroffen, das Alleinsein genossen, den ersten Kuss bekommen und die erste Zigarette geraucht. Hier habe ich geweint und gelacht und gelitten. Der Strand war für mich immer ein Refugium, und er ist es bis heute geblieben. Ich mag ihn am liebsten abseits der Urlauberströme, wenn am Morgen die Sonne aus dem Meer steigt und die Fischer hinausfahren, um frischen Fisch an Land zu holen. Es ist der reinste Moment des Tages und alles scheint möglich. Und was auch immer die Zeiten bringen mögen, ich kann hierher zurückkehren und diesen Moment erleben.
Text © Claudia Pautz
Foto © Matthias Gründling